»Kevin Can F**ck Himself« bei Amazon Prime: Und plötzlich verstummt das Gelächter vom Band - DER SPIEGEL
Sitcom oder Drogen-Drama? Diese Serie ist beides zugleich – und eine furiose Rache an TV-Serien, in denen völlig selbstverständlich die billigsten Gags auf Kosten von Frauen gerissen werden.
Serviert die Frau dem Mann sein Frühstück. Rollt der mit den Augen und sagt: »Was habe ich über grünes Zeug auf meinem Essen gesagt?« Antwortet die Frau: »Aber das ist nur Petersilie als Garnitur.« Darauf der Mann: »Auf Rührei und Hot Dogs? Nein, danke!« Er setzt ein Haifischgrinsen auf und steckt sich die paar Blättchen zum Schein in den Mund, wirft sie dann aber hinter das Sofa. Dazu Gelächter vom Band.
Willkommen in einer guten alten Sitcom, in der die billigsten Witze gern auf Kosten von Frauen gemacht wurden. So war das bis in jüngste Vergangenheit üblich. Allerdings ist bei »Kevin Can F**ck Himself« dann doch alles anders, als es auf den ersten Blick erscheint.
Abseits der Sitcom-Welt werden die Bilder düster – und Allison trifft auf ihrer Suche nach Drogen als Mordwerkzeug auf ebenso düstere Gestalten
Foto:
Jojo Whilden/AMC / AMC / Amazon
Schnitt. Die Frau allein in der Küche. Sie schlägt wütend ein leeres Glas auf die Arbeitsfläche, sodass sich eine Scherbe in ihre Hand bohrt. Das Bild ist plötzlich nicht mehr grell ausgeleuchtet wie in billigen Fernsehshows. Im Hintergrund lauern Schatten, die Farben sind erloschen. Und die Lacher von der Konserve auch.
»Kevin Can F**ck Himself« ist eine bittere Satire auf TV-Konventionen. Nicht gerade subtiles, aber äußerst wirkungsvolles Meta-Fernsehen, das ein grelles Schlaglicht auf eine gesellschaftliche Entwicklung und deren Repräsentation auf den Bildschirmen wirft. Und auf frappierende Weise zeigt, wie vergiftet viele Gags waren, über die die meisten Zuschauer gestern noch gelacht haben.
Seit Jahren erträgt Allison (Annie Murphy) die täglichen Demütigungen ihres Ehemannes Kevin (Eric Petersen). Der ist äußerlich ein Mitdreißiger mit Schmerbauch und Froschaugen, emotional allerdings auf dem Stand eines verwöhnten Fünfjährigen. Zu seinen Hobbys zählen Fressen, Saufen, dämliche Witze machen, am liebsten mit seinem grenzdebilen Freund Neil und seinem Vater. Trotzdem setzt Allison auf einen Neuanfang in einem neuen, größeren, schöneren Haus. Gegen Kevins Widerstand, für den jede Veränderung ein Horror ist. Als Allison allerdings erfährt, dass Kevin ihr Erspartes heimlich für sinnlose Fan-Artikel ausgegeben hat, ändert sie ihre Pläne. Neues Ziel jetzt: Kevin ermorden.
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»Kevin Can F**ck Himself« nimmt kaum verhohlen Bezug auf die Sitcom »Kevin Can Wait« (2016-18) mit Kevin James als Macho-Cop, um dessen Tiraden, Stimmungen und Probleme sich die ganze Serienwelt drehte. Frauen waren bestenfalls Stichwortgeber. Wie eine späte Rache mit den Freiheiten der modernen Serien-Erzählung nimmt sich da der dramaturgische Kniff aus, dass in »Kevin Can F**ck Himself« einzig weibliche Figuren aus der hässlich-billigen Sitcom-Welt in ein anspruchsvolles Fernsehdrama mit moderner Bildsprache ausbrechen dürfen.
Im Mittelpunkt steht Allison mit ihrem Mordplan, den sie mittels starker Schmerzmittel in die Tat umzusetzen gedenkt. Die Tabletten soll ihr Patty besorgen, Neils Schwester, die sich immer gerne an den gegen Allison gerichteten Frotzeleien beteiligt hat, nun aber ihre eigene Emanzipation aus der toxischen Männerwelt versucht.
An den dramaturgischen Nähten knirscht es
Auf der einen Seite die Karikatur einer Sitcom, eines Fernseh-Genres also, das gesellschaftliche Wirklichkeit auf eine Gag-Parade herunterbricht, und auf der anderen ein an »Breaking Bad« erinnerndes Drama um Drogen, Perspektivlosigkeit und eine in der Opioid-Krise versinkende untere Mittelschicht: Es dürfte nicht überraschen, dass es an den dramaturgischen Nähten dieses Experiments erheblich knirscht.
Man fragt sich, warum Allison diese Hölle so lange ertragen hat und warum sie im Verlauf der Geschichte, in der sie sich langsam daraus befreit, dann doch immer wieder freiwillig zurückkehrt. Noch dazu, weil Kevin und Neil derart überzeichnete Vollpfosten sind, dass man sie zu keinem Zeitpunkt als Gegner für Allison ernst nehmen kann.
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Diese Diskrepanz nimmt im Verlauf der acht Folgen eher noch zu, weil Allison und Patty immer ausdifferenzierter erzählt werden, während bei Kevin und Neil keinerlei Entwicklung stattfindet. Aber gerade die immer größer gähnende Kluft verwandelt die Sitcom-Szenen in eine Horror-Show. Nach einigen Episoden stellt sich die Frage, was gruseliger ist: die Ausweglosigkeit, in die sich Allison mit ihrer Ehe und ihren Mordplänen bugsiert – oder der in seiner Monotonie manisch wirkende, schenkelklopfende Brutalo-Humor, der eine Welt zeichnet, die vielleicht gar nicht wirklich schon der Vergangenheit angehört.
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