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Barça durchleidet unselige Qualen – und verabschiedet Messi - Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Der FC Barcelona arrangiert sich mit dem Abschied von Lionel Messi. Die Schuldenlast des katalanischen Fussballklubs ist noch viel erdrückender.

21 Jahre, 35 Titel, 672 Tore und unzählige Glücksmomente – Lionel Messis Zeit im FC Barcelona ist vorbei.

21 Jahre, 35 Titel, 672 Tore und unzählige Glücksmomente – Lionel Messis Zeit im FC Barcelona ist vorbei.

Manu Fernandez / AP

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Das war die Botschaft, die Joan Laporta am Freitag im Konferenzsaal neben dem Camp Nou überbrachte. Der Präsident des FC Barcelona war gekommen, um die verstörende Nachricht des Vorabends zu erklären: den Abschied von Lionel Messi trotz grundsätzlich bestehender Einigung über eine Weiterbeschäftigung.

«Im Leben sollte man Qualen nicht ausdehnen», sagte der ausgebildete Rechtsanwalt. «Da ist es besser, die Entscheidung über das Vorher und Nachher um zwei Jahre vorzuverlegen.»

Das Veto der Liga

Das Vorher ist die vielleicht glanzvollste Liaison der Fussballgeschichte. Sie dauerte 21 Jahre, beinhaltete 35 Titel, 672 Tore und unzählige Glücksmomente. Das Nachher ist die Ära ohne Messi, «in die wir jetzt extramotiviert gehen» und die «bestimmt prächtig wird», wie Laporta sagte. Nicht umsonst gilt er als Optimist. Einen solchen Spin muss man dem Schock des Jahrzehnts für Barças Anhänger erst einmal geben. Doch der beredte Laporta fand auch die passenden Worte für die angeschlagene Fanseele: «Dieser Verein hat 122 Jahre Geschichte, uns ist dabei alles passiert, und immer sind wir weiter vorangekommen», sagte er, oder: «Barça steht über Trainern, Präsidenten, Spielern und sogar dem besten Fussballer der Welt, den wir so lange geniessen durften.»

Ursprünglich wollte Messi, 34, noch mindestens zwei Jahre für den FC Barcelona spielen, ehe er seine Karriere wohl in Miami ausklingen lassen will. Doch die beabsichtigte Vertragskonstruktion, die sein Gehalt auf fünf Jahre strecken sollte, sei von der spanischen Liga nicht akzeptiert worden, erklärte Laporta. Und da sich auch kein anderer vertretbarer Weg finden liess, einen neuen Messi-Kontrakt – der alte war im Juni ausgelaufen – unter den Lohndeckel des Dachverbands zu quetschen, musste eben ein Schlussstrich unter die langwierigen Verhandlungen gezogen werden. Auch, damit Messi vor dem Transferschluss am 31. August andere Offerten prüfen kann. Paris Saint-Germain gilt zurzeit als einzig ernsthafter Kandidat, der Trainer dort, Mauricio Pochettino, räumte am Freitag die Möglichkeit eines Interesses ein, derweil der Kollege Josep Guardiola diese für Manchester City verneinte.

Barça jedenfalls habe «keinen Spielraum» mehr gehabt, sagte Laporta – und illustrierte diese Aussage während seiner knapp anderthalbstündigen Ausführungen mit dramatischen Zahlen. Im März war der bereits zwischen 2003 und 2010 amtierende Präsident wieder ins Amt gewählt worden. Dass Barça mit rund 1,2 Milliarden Euro verschuldet ist, war damals schon bekannt, das ganze Ausmass habe aber erst eine jüngst durchgeführte Buchhaltungsprüfung ergeben, so Laporta. Danach wurden allein vergangene Saison 487 Millionen Euro Verlust gemacht (statt 200 Millionen wie ursprünglich angenommen). Die Personalkosten hätten bei 110 Prozent des Gesamtbudgets gelegen. Selbst ohne Messi würden sie sich noch auf 95 Prozent belaufen.

Das Malaise ist teilweise fremdverschuldet, denn kaum ein Verein wird von der Pandemie so hart getroffen. Auf Basis des 99 000 Zuschauer fassenden Camp Nou und der zu normalen Zeiten massenhaft einfallenden Fussball-Touristen schraubte Barça seine Einnahmen vor Corona als erster Fussballklub an die Milliardengrenze. Dieses Geld fehlt jetzt. Das fiele allerdings nicht so stark ins Gewicht, hätte man nicht allen Reichtum für Transfers und Löhne verprasst. Laporta versuchte denn auch gar nicht erst, der Liga oder den Messis die Schuld an der geplatzten Weiterbeschäftigung zu geben. Stattdessen nannte er mehrfach das «unselige Erbe» von seinem skandalumwitterten Vorgänger Josep Maria Bartomeu.

Als Urknall der Masslosigkeit erwies sich 2017 der Verlust von Neymar, den Paris Saint-Germain für die festgeschriebene Ablöse von 222 Millionen Euro aus dem Vertrag kaufte. Wenn der Klub der Scheichs nun von der Sackgasse mit Messi profitieren sollte, wäre das an Ironie – oder Folgerichtigkeit? – kaum zu übertreffen: Denn aus Angst vor ihm und anderen Finanzdopern stattete Bartomeu in jenem Sommer 2017 dann Messi mit einem Monsterkontrakt von bis zu 138 Millionen Jahresgehalt aus. Damit war das Gehaltsgefüge der Mannschaft explodiert, auch Profis wie Sergio Busquets, Jordi Alba oder Sergi Roberto konnten Traumverträge aushandeln. Parallel reinvestierte Bartomeu die Neymar-Millionen in die überteuerten Philippe Coutinho und Ousmane Dembélé (jeweils rund 135 Millionen). Als es trotzdem nicht zum Champions-League-Sieg reichte, kam 2019 für 120 Millionen noch Antoine Griezmann dazu. Zur Finanzierung musste Barcelona bereits damals einen dubiosen Sonderkredit aufnehmen.

All diese Transfers zahlt der Verein immer noch ab, denn die Kosten werden im Fussball auf die Jahre der Vertragslaufzeit gestückelt. Gleiches gilt daher für den Einkauf von Miralem Pjanic für 60 Millionen Euro von Juventus Turin, der 2020 den einzigen Zweck hatte, durch die gleichzeitige Abgabe des Positionskollegen Arthur an die Italiener für 72 Millionen die Bilanzen beider Vereine schönzurechnen. Transfereinnahmen nämlich werden sofort komplett verbucht. Abschreibungen aber verschwinden nicht, sie fliessen mit in die Gesamtsumme ein, die ein Klub in Spanien höchstens für Personal ausgeben darf. Bei Barça betrugen allein diese Personalkosten in der vergangenen Saison insgesamt 170 Millionen Euro.

Seit 2013 diktiert die Liga den Vereinen zweimal pro Jahr eine anhand der jeweiligen Einnahmen ermittelte Obergrenze. Mit den Umsätzen brach auch sie ein, nach letzter Meldung lag sie für Barça bei 346 Millionen Euro – Tendenz weiter fallend. Da half es auch nichts, dass Messi sein Gehalt um rund die Hälfte zu kürzen bereit gewesen sein soll.

Pöbelnde Fans

Warum Laporta trotzdem bis zu dieser Woche an die Chance auf eine Vertragsunterschrift glaubte? Es habe Zeichen von der Liga gegeben, insinuierte der Präsident. Diese bestanden aber letztlich in einer Veräusserung von gut zehn Prozent der Anteile des Ligabetriebs an den Investmentfonds CVC, die der Dachverband dieser Tage betreibt. Damit hätte Barça genug Liquidität erhalten können, aber Laporta lehnt den Handel ebenso wie Real Madrids Präsident Florentino Pérez ab. «Wir können kein Geschäft akzeptieren, das für 50 Jahre eine Hypothek auf unsere Aktivposten legt», sagte er; so selbstbewusst blickt man trotz allem in die Zukunft.

Bevor es prächtig wird, muss Barça allerdings zunächst einmal verhindern, dass es hässlich wird. Frustrierte Messi-Fans hatten Griezmann am Freitag vor dem Trainingsplatz angepöbelt, weil dieser den Verein nicht verlassen wollte. Dessen Abgang hätte die Personalkosten und damit das Budget zwar entlastet. Gereicht hätte es aber wohl trotzdem nicht.

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