In der Sitzung des DFB-Präsidiums am vergangenen Freitag sollte es eigentlich um Schlichtung gehen. Tatsächlich aber kam es zu einer Entgleisung von Präsident Fritz Keller, die nun die Ethikkommission des DFB beschäftigt: Keller hat seinen Vize Rainer Koch als »Freisler« bezeichnet, ein Nazivergleich und für Koch, im Zivilberuf Richter, einer der denkbar übelsten Beleidigungen: Als Präsident des Volksgerichtshofs galt Roland Freisler als der schlimmste Nazirichter überhaupt.
Wochenlang hatten sich die DFB-Funktionäre Peter Frymuth, Ronny Zimmermann und Günter Distelrath vor der Sitzung mit dem seit Monaten andauernden Machtkampf zwischen Präsident Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius beschäftigt, hatten Akten studiert, Kompromisslinien ausgelotet, um den verfahrenen Streit zwischen Keller und Curtius zu schlichten.
Einer der Punkte, um die es ging, war die fristlose Kündigung von Kellers Büroleiter Samy Hamama. Der hatte sich, ohne entsprechende Zugriffsrechte, eine Rechnung des DFB-Medienberaters Kurt Diekmann aus dem DFB-Controlling verschafft. Die wurde an die Öffentlichkeit durchgesteckt und tauchte später in der ZDF-»Sportreportage« auf. Hamama bestreitet, die Rechnung weitergegeben zu haben.
In Sachen Kündigung half ihm dies nicht. Denn Hamama hatte nicht nur keine Zugriffsrechte auf die Controlling-Datenbank, sondern hatte sich die Rechnung auch, so fand die Compliance-Abteilung des DFB heraus, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen beschafft. Er hatte einer Mitarbeiterin erzählt, er arbeite im Auftrag der internen Revision. Hamama geht juristisch gegen seine Kündigung vor.
Als der für Recht und Amateure zuständige DFB-Vizepräsident Rainer Koch am vergangenen Freitag im Präsidium nun von einer Runde mit Vertretern der Landes- und Regionalverbände berichtete, in der über den Stand des arbeitsrechtlichen Verfahrens im Fall Hamama berichtet wurde, soll Keller emotional geworden sein. Es sei ein Skandal, dass in jener Runde nicht auch Hamamas Anwalt habe reden dürfen. Das zeige, wie einseitig das Ganze gewesen sei.
Keller sagte, er habe einen Bekannten, der auch Freisler heiße
Koch entgegnete, am kommenden Wochenende gebe es eine Klausurtagung der gleichen Runde, in der auch Hamamas Anwalt zu Wort kommen könne. Keller habe Koch, im Zivilberuf Vorsitzender Richter am Bayerischen Oberlandesgericht, daraufhin als »Freisler« geschmäht. Roland Freisler war Präsident des Volksgerichtshofs, der höchsten juristischen Instanz des nationalsozialistischen Regimes für politische Strafsachen und unter anderem verantwortlich für die Todesurteile gegen die Geschwister Scholl und die Widerstandskämpfer des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944. Als einer von 15 Teilnehmern der Wannseekonferenz gehörte er zu den Wegbereitern des Holocaust.
Als Koch nachfragte, wen Keller mit der Bezeichnung »Freisler« gemeint habe, entgegnete der DFB-Präsident zunächst, er habe einen Bekannten, der auch Freisler heiße. Generalsekretär Curtius hat den Vorgang am Sonntag bei der Ethikkommission des DFB angezeigt sowie den Präsidialausschuss des DFB und die Vizepräsidenten der Amateure informiert. Er »bedaure zutiefst, vor Ort nicht sofort aktiv geworden zu sein«, heißt es in einem Schreiben an die Ethikkommission. Schatzmeister Stephan Osnabrügge, der neben Koch von Curtius als Zeuge benannt wurde, sei es ähnlich ergangen. Viel zu lang seien von Gremienvertretern und Kontrollinstanzen des DFB »Grenzverletzungen« durch den Präsidenten »geduldet« worden, die eine »nicht hinnehmbare Entgleisung« wie den Freisler-Vergleich ermöglicht hätten.
Der SPIEGEL hat Keller mit dem Vorgang konfrontiert. Rund eineinhalb Stunden später entschuldigte sich der Präsident bei seinem Vize Koch. Dem SPIEGEL ließ er durch die DFB-Direktion Presse mitteilen: »Manchmal fallen in Kontroversen Worte, die nicht fallen sollen und nicht fallen dürfen. Dafür habe ich mich in aller Form persönlich im Gespräch wie auch schriftlich bei Rainer Koch entschuldigt. Er hat die Größe, die Entschuldigung anzunehmen, wofür ich ihm dankbar bin. Insbesondere auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus war der Vergleich gänzlich unangebracht. Ich bedauere dies alles sehr und werde meine Worte künftig weiser wählen.«
Am Abend stellte sich dann heraus: Die DFB-Pressedirektion und Keller hatten offenbar nicht die ganze Wahrheit mitgeteilt. Koch hatte nicht, wie vom DFB gemeldet, Kellers Entschuldigung für den Freisler-Vergleich angenommen, sondern sie lediglich »zur Kenntnis« genommen und auf einer persönlichen Aussprache mit Keller am kommenden Wochenende bestanden. Der Pressesprecher des Bayerischen Fußballverbands, dessen Vorsitzender Koch ist, teilte auf Anfrage des SPIEGEL mit: »Herr Koch äußert sich auch weiterhin nicht zum gesamten Vorgang. Er kann nur bestätigen, dass ihn Herr Keller schriftlich um Entschuldigung gebeten hat. Herr Koch hat die Entschuldigung bislang nicht angenommen, weil er den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlichen Gespräch mit Fritz Keller aufarbeiten möchte.«
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