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„Das ist eine absolute Frechheit“ - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde die Hilfe des Video-Assistenten bei zwei Mannschaften und vielen Beobachtern vermisst. In den beiden Nachholspielen des DFB-Pokals Mitte Januar fielen und zählten zwei Treffer, denen klare Abseitspositionen vorausgegangen waren. Dem FC Bayern half auch das in Kiel nicht, die Münchner schieden dennoch sensationell in der zweiten Runde aus. Bayer Leverkusen aber profitierte entscheidend gegen Eintracht Frankfurt von einem irregulären Tor, das die Werkself in Führung brachte. Drei Wochen später gibt es Videohilfe – und die Aufregung ist noch etwas größer.

Nach der Einführung der Unterstützung der Schiedsrichter aus der Ferne im Sommer 2017 wurde der Start im DFB-Pokal von der Neuerung ausgespart. Die offizielle Begründung: In den Stadien der vielen kleinen Klubs fehlt es an technischen Voraussetzungen für den Einsatz, mobile Lösungen wären sehr teuer. So gab es den Video-Assistent erst vom Viertelfinale an. In der vergangenen Saison wurde der Einsatz ausgeweitet; nun kommt die Hilfe auch schon im Achtelfinale zum Einsatz, dessen erste vier Spiele am Dienstag ausgetragen wurden. An diesem Mittwoch finden die anderen vier Partien statt.

Besonders in den Fokus rückte der Video-Assistent bei den Spielen im Ruhrgebiet. In Essen, wo der Viertligaklub gegen Erstligaverein Bayer Leverkusen die Sensation schaffte und nach Verlängerung gewann, wurde der Siegtreffer Essens lange überprüft. Die Frage lautete: Lag auf der anderen Seite vorher ein Foul vor, das einen Strafstoß zur Folge hätte haben müssen? Nach Beratung entschieden sich die Schiedsrichter um Daniel Schlager dagegen. Ein Ziehen gegen Leverkusens Jeremie Frimpong wurde als nicht elfmeterwürdig eingeschätzt. Bayer nahm es zähneknirschend hin, ärgerte sich vor allem über eigene Unzulänglichkeiten und schied aus.

Ganz und gar nicht geräuschlos verlief die Entscheidung beim Spiel in Dortmund. In der 95. Minute erzielte Erling Haaland das 3:2 für den BVB gegen Zweitligaverein SC Paderborn. Beim langen Pass aus der eigenen Hälfte von Thomas Delaney stand der Torschütze knapp hinter der Mittellinie wohl knapp im Abseits. Minutenlang beriet sich Schiedsrichter Tobias Stieler mit dem Assistenten, dann entschied er auf Tor mit der Begründung, dass der Paderborner Svante Ingelsson den Ball im Flug bei seiner Grätsche auf dem Weg zu Haaland noch berührt hätte. Durch die Berührung des Paderborners wurde demnach das strafbare Abseits aufgehoben.

Minutenlang warteten die Spieler auf dem Rasen bei nasskaltem Wetter ohne zu wissen, was los ist. Auch an der Seitenlinie stand allen die Fragezeichen auf die Stirn geschrieben. Statt sich die Szene am Bildschirm selbst nochmal anzuschauen, vertraute Stieler seinem ersten Eindruck und der Einschätzung von Video-Assistent Matthias Jöllenbeck. Das hatte der Schiedsrichter vor dem 2:2 kurz vor Abpfiff der regulären Spielzeit noch anders gehandhabt: Nach einem Dortmunder Foul im Strafraum ging er an die Seitenlinie, sah sich die Vorkommnisse in der Zeitlupe an und entschied dann auf Elfmeter für Paderborn.

Dass er den zweiten Gang zum Bildschirm scheute, brachte Steffen Baumgart auf die Palme. „Wir stehen da und frieren uns sieben Minuten lang den Arsch ab. Respekt bedeutet auch, sich den Scheiß anzugucken, die Entscheidung zu treffen, und nicht den Kleinen wieder in den Arsch zu treten“, sagte Paderborns Trainer in der ARD mit derben Worten. „Wir haben die Bilder, das kann er sich 20 Mal angucken. Langsam wird es lächerlich. Das ärgert mich, das hat keiner verdient. So machen wir uns zum Affen.“ Auch in der Pressekonferenz hatte sich sein Zorn noch nicht gelegt: „Darf ich das arrogant nennen? Oder wie darf ich das nennen? Uns allen hat er den Abend versaut.“

Nach dem 3:2 kam sein SC nicht mehr zurück und schied aus. Baumgart bestritt, dass Ingelsson den Ball berührt habe. „Ich sehe da keine Veränderung des Balles, das ist eine absolute Frechheit. So ein Spiel so abzugeben, daraus eine Berührung des Balles zu machen, ist frech. Es geht hier für uns um zwei Millionen. Ich bin keine Aktiengesellschaft, wir kämpfen um jede müde Mark“, schimpfte er in Anspielung auf die Tatsache, dass der BVB als einziger deutscher Fußballklub an der Börse notiert ist. Seine Wutrede hatte Baumgart Stieler nach eigener Aussage unmittelbar nach Abpfiff angekündigt. Er sei gespannt, ob er wegen seiner Aussagen einen Brief vom Deutschen Fußball-Bund bekomme.

Keine Post wird der Dortmunder Trainer bekommen. „Das Allerwichtigste ist es, in die nächste Runde einzuziehen. Dass wir uns das nach 2:0 anders vorgestellt haben, ist auch klar“, sagte Edin Terzic. Der Favorit hatte durch frühe Tore von Emre Can (6. Minute) und Jadon Sancho (16.) vorne gelegen. Doch dann gab der BVB die Partie gegen mutige, kämpferische Ostwestfallen immer mehr aus der Hand. Julian Justvan (79.) und das späte Elfmeter-Tor von Prince Owusu (90.+7) sorgten für den Ausgleich und die Verlängerung. Dort schlug dann Haaland mit dem kontroversen Treffer entscheidend zu.

Nach zuvor drei Achtelfinale-Niederlagen in Serie steht der BVB wieder in die Runde der letzten acht Teams ein und wahrte die wohl letzte Chance auf einen nationalen Titel. Zum Aufreger äußerte sich Terzic Minuten nach Ende nur vage. „Ich habe die Szene zum 3:2 noch nicht am Fernseher gesehen. Von der Seitenlinie aus ging es darum, ob es beim Pass auf Erling Haaland einen leichten Ballkontakt gegeben hatte. Das dauerte ewig und ging hin und her. Zehn Sekunden lang hieß es Abseits, dann wieder doch nicht. Es fällt mir aber schwer, da jetzt schon eine genaue Meinung zu haben.“ Die hatte sein Kollege Baumgart dagegen unüberhörbar.

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