Paul Scholes war wieder einmal begeistert von der Leistung des Mittelfeldspielers, der zwar viel Geld gekostet hat, den Kaufpreis aber Woche für Woche rechtfertigt. »Er hat die Mannschaft transformiert«, sagte Scholes am Mikrofon des Bezahlendes »BT Sport« nach dem 2:2 seines Ex-Klubs Manchester United im Verfolger-Duell der Premier League bei Leicester City am Boxing Day.
Der Mittelfeldspieler, den Scholes meinte, war Bruno Fernandes. Der Portugiese kam Ende Januar für 55 Millionen Euro von Sporting aus Lissabon und ist zum Gesicht des aktuellen Aufschwungs beim englischen Rekordmeister geworden. In der vergangenen Saison gelang dank einer starken Rückrunde noch die Qualifikation zur Champions League. In der laufenden Spielzeit gehört Manchester United – zumindest laut Tabelle – zum Kreis der Titelkandidaten. Nach dem Remis gegen Leicester blieb die Mannschaft erstmal Dritter.
Fernandes war der Mann des Spiels, er leistete die Vorlage zum ersten Tor durch Marcus Rashford und schoss das zweite selbst. Der Datendienst Opta berechnete, dass der Portugiese seit seiner Ankunft in England an mehr als der Hälfte aller United-Treffer direkt beteiligt war. Nicht nur wegen seiner Herkunft erinnert Fernandes die Fans des Klubs an Cristiano Ronaldo, der im Old Trafford seine Weltkarriere in Gang setzte.
Ein anderer Mittelfeldspieler, der für noch mehr Geld gekommen war als Fernandes und eigentlich ebenfalls die Aufgabe hatte, Manchester United zu transformieren, gab gegen Leicester wieder mal ein trauriges Bild an. Paul Pogba verbrachte den Boxing Day zunächst auf der Ersatzbank und spielte nach seiner Einwechselung in der 54. Minute so träge, als hätte er sich mit den traditionellen Sandwiches mit Überresten vom Weihnachtsessen vollgeschlagen. Nach vorne setzte er keine Akzente, und hinten trabte er vor Leicesters spätem Ausgleich zum Endstand nur hinterher. Der Auftritt bestätigte wieder einmal den Eindruck, dass der vor viereinhalb Jahren für die damalige Weltrekord-Summe von 105 Millionen Euro von Juventus Turin zurück geholte Franzose bei Manchester gescheitert ist.
Weder José Mourinho noch der aktuelle Trainer Ole Gunnar Solskjaer haben es hinbekommen, Pogba dauerhaft zu den Weltklasse-Leistungen zu coachen, zu denen er – angeblich – im Stande ist. In einer United-Mannschaft, die zuletzt Fortschritte gemacht hat, verkommt er immer mehr zur Randfigur. Bei den bisher 14 Premier-League-Partien in dieser Saison spielte er nur sieben Mal von Beginn an und wurde vier Mal eingewechselt. Aktuell bekommen im defensiven Mittelfeld die höchstens soliden Scott McTominay und Fred den Vorzug.
Ein Problem von Pogba ist, dass es seine ideale Position in Solskjaers Formation nicht gibt. Der norwegische Ex-Stürmer lässt am liebsten im 4-2-3-1 operieren. Für einen der beiden Sechser-Plätze arbeitet Pogba zu wenig nach hinten mit (und hat, anders als in Frankreichs Weltmeister-Elf, den Aufräumer N’Golo Kanté nicht neben sich). Für die Zehn ist er zu wenig Spielmacher.
Die Systemfrage ist aber nur der eine Teil der Erklärung für Pogbas trübes Dasein im Old Trafford. Der andere sind seine Leistungen. Diese haben nach seiner Rückkehr aus Turin nie dauerhaft die Erwartungen erfüllt. Aus der jüngeren Vergangenheit sind eher tölpelhafte Fehler in Erinnerung, die zu Elfmetern für den Gegner führten. Glanzmomente wie Pogbas Fernschuss-Tor beim 3:1 bei West Ham Anfang Dezember sind die Ausnahme.
Berater Raiola spricht von Abschied
Dass er trotzdem ständig in den Schlagzeilen ist, liegt an seinem Berater Mino Raiola. Dieser zofft sich öffentlich mit Solskjaer, beklagt das Leid seines hoch bezahlten Mandanten und hat Pogbas Zeit bei Manchester United kürzlich per »Tuttosport«-Interview für beendet erklärt. Zwar bekannte sich der Mittelfeldspieler hinterher über die Sozialen Medien zu seinem Verein (»Bla Bla ist unwichtig«), vergaß dabei aber zu erwähnen, dass dieses Bla Bla von seinem eigenen Agenten gestreut wird – wenn nicht in Pogbas unmittelbarem Auftrag, dann sicher in seinem Wissen.
Die Fans hatten viel Geduld mit dem Franzosen, doch mittlerweile dürfte es genug Anhänger geben, die ihn mit dem eigenen Auto nach Madrid, Barcelona oder Turin fahren würden. Das könnten seine Ziele sein, wenn er Manchester United nach dieser Saison verlässt, wie allgemein erwartet wird. Das Problem ist nur, dass in der Corona-Krise kein Käufer annähernd so viel Geld zahlen kann, wie der englische Rekordmeister für Pogba ausgab. Der Verein dürfte ein dramatisches Verlustgeschäft machen, im Gegenzug aber den Betriebsfrieden deutlich aufbessern.
Solskjaer legt viel Wert auf Disziplin und ist dabei, um Bruno Fernandes – und auch um Rashford – eine Mannschaft zu bauen, die so verheißungsvoll wie rätselhaft ist. Wenn sie Platz für ihre Konter hat, kann sie den Gegner in Stücke zu reißen. Gegen tief stehende Teams ist sie dagegen meistens ratlos. Außerdem hat sie einen eingebauten Mechanismus zur Selbstzerstörung, der vor allem in der Champions League großen Schaden anrichtete. Trotz Siegen bei Paris Saint-Germain (2:1) und zuhause gegen RB Leipzig (5:0) schied Manchester United in der Vorrunde aus, weil das Team bei İstanbul Başakşehir das absurdeste Kontertor des Profifußballs kassierte und Solskjaer zuhause gegen PSG den um einen Platzverweis bettelnden Fred auf dem Feld ließ, bis dieser tatsächlich die Gelb-Rote Karte sah.
Die Formschwankungen fallen auch auf den unerfahrenen Trainer zurück. Doch zu seinem Glück hat die Mannschaft viel individuelle Klasse – und einen offensichtlichen Führungsspieler. Eigentlich sollte das der Anspruch Paul Pogbas sein. Doch gemeint ist: Bruno Fernandes.
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