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Warum man die Zukunft nicht der Technologie überlassen darf - WESER-KURIER

Kein Wohntrend, sondern technische Spielerei: das Smart Home.

Kein Wohntrend, sondern technische Spielerei: das Smart Home. (Sören Stache)

Wie werden wir in zehn, 20 oder in 30 Jahren wohnen? Niemand kann in die Zukunft sehen – was uns nicht daran hindert, es trotzdem immer wieder zu versuchen. Dabei zeigt doch die Geschichte, dass der Mensch vor allem bei langfristigen Prophezeiungen ein Händchen dafür hat, verlässlich daneben zu liegen. Vielzitierte Beispiele hängen mit technologischen Entwicklungen zusammen: Autos, Fernsehen, Computer. Das alles werde sich langfristig nicht durchsetzen, hieß es irgendwann mal. Wurden damals Bedeutungen unterschätzt, scheint heute eher das Gegenteil der Fall zu sein. Oft überschätzen wir die Geschwindigkeit, mit der sich zukünftige Entwicklungen vollziehen.

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Ein wesentlicher Grund dafür ist eine Technikgläubigkeit, die heute in vielen Zukunftsvisionen einen unangemessen großen Platz einnimmt. „Future-Bullshit“ hat Matthias Horx, der wohl bekannteste Zukunftsforscher im deutschsprachigen Raum, das einmal genannt. Man denke einmal an die Zukunft des Wohnens: Welche Bilder fallen dazu spontan ein? Vermutlich haben die meisten davon etwas mit Technik, mit Digitalisierung, zumindest aber mit kreativer Architektur zu tun. Fraglos spielt all das irgendwie eine Rolle, aber es wäre besser, im Zusammenhang mit Zukunftsfragen weniger darüber zu sprechen – oder es zumindest in der richtigen Reihenfolge zu tun. Die zentralen Fragen des zukünftigen Wohnens lassen sich schwerlich visualisieren, weil sie gesellschaftlicher, sozialer und politischer Natur sind. Wie entwickelt sich die Bevölkerungsstruktur? Inwieweit darf eine Wohnung Handelsware sein? Wie viel Kontrolle braucht der Wohnungsmarkt?

Prognosen wie Science-Fiction-Romane

Das sind Fragen, die zwangsläufig stark an der Gegenwart und einer kurzfristigen Zukunft orientiert sind. „In Megacitys leben wir umweltbewusst im vernetzten Smart Home“, prognostiziert der Blog „21-Grad“ in einem Zukunftsausblick für das Jahr 2050. Das Beispiel (es gibt etliche mehr) ist eine nette Spielerei, aber von der Aussagekraft kaum größer als Science-Fiction-Romane, die das fliegende Auto in die 1980er-Jahre geschrieben haben. Wie hunderttausende Menschen in einer Stadt wohnen sollen, wird nicht in Blogs oder Architekturmagazinen entschieden, sondern von Stadtplanern und politischen Akteuren in jahrelanger Arbeit entworfen. Die Bremer Zukunftsvision heißt dann Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 (STEP), erst kürzlich vom Senat vorgestellt. Darin steht nicht einmal das Wort Smart Home, und auch die anderen in diversen Ranglisten gerne als Megatrends des Wohnens bezeichneten Konzepte fehlen hier. Der Grund dafür ist keine Zukunftsfeindlichkeit, sondern die schlichte Tatsache, dass individuelle Wohnerlebnisse und eine massentaugliche Stadtplanung zwei verschiedene Dinge sind.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Der STEP ist kein Wunderwerk oder Allheilmittel. An etlichen Stellen, zum Beispiel beim Thema Mietspiegel, bleibt der Plan vage. Viele Ideen sind nicht wirklich neu – allerdings haben sich auch viele Probleme nicht wirklich verändert. Es soll an dieser Stelle auch gar nicht darum gehen, den STEP in allen Einzelheiten zu beurteilen. Es soll ebenso wenig darum gehen, experimentellen Ideen ihre Daseinsberechtigung abzusprechen. Es geht darum, vor einer realitätsfernen Zukunftsdefinition zu warnen. Wer zu Wohntrends in Großstädten recherchiert, könnte fast den Eindruck gewinnen, dass das Experimentelle schon bald die Norm ist. Der zahlenmäßige, gesellschaftsrelevante Trend ist aber nicht die modulare Bauweise oder das Tiny House, sondern die jahrzehntelang rückläufige Anzahl von Sozialwohnungen. Auch das Smart Home ist kein Trend, sondern eine Spielerei für ein paar wenige mit dem notwendigen Kleingeld. Ein Trend sind die explodierenden Preise für Eigenheime, die ein Normalverdiener kaum noch bezahlen kann.

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Keine technologische und architektonische Raffinesse wird diese lange gewachsenen Probleme beseitigen. Die Technologie kann allenfalls dabei helfen, sofern sie eine feste Grundlage hat. Man darf sich nicht auf sie verlassen, sie nicht als Ausrede benutzen und ihr auch keine Verantwortung zuschreiben. Sie ist die Kirsche auf der Torte – nicht die Torte selbst. Diese Rangordnung umzukehren wäre fatal, hieße es doch, mit falschen Prioritäten zu handeln.

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